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11/2003


Schwarzweiss
Band 39


   Mönchsleben

Bereits seit vier Uhr morgens sind Sovann Phon und Viboll auf den Beinen. Mit der kleinen Mönchsgemeinschaft des Klosters Wat Thmey treffen sie sich zum gemeinsamen Morgengebet. Draußen herrscht noch völlige Dunkelheit. Selbst früh morgens nimmt die Hitze kein Ende. Grillen veranstalten im umliegenden Dickicht ein lärmend schrilles Wettzirpen. Die Mönche nehmen von ihren Unterkünften direkten Kurs auf die Gebetshalle. Lediglich eine große Kerze spendet etwas Licht. Monoton sonore Gesänge werden wie eine Meditationsübung zelebriert. Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit, werden Fragmente des Sakralbaus immer deutlicher. An der Stirnseite thront eine überdimensionale Buddha Shakyamuni Statue. Bunte Malereien berichten von den guten Taten aus dem Leben des Lotosgeborenen.

Im Morgengrauen beenden die Mönche ihr Gebet. Doch eine erste Mahlzeit ist noch lange nicht erlaubt. Die Dreiundzwanzigjährigen Sovann Phon und Viboll holen rasch ihre blank geputzten Bettelschalen herbei. In einem Tuch mit Trageriemen werden die Metallschalen unter den safranfarbenen Roben versteckt. Sovann erklärt, dass der morgendliche Bettelgang in absolut demütiger Haltung erfolgen muss. Die beiden Mönche dürfen in dieser Zeit nicht miteinander reden und ziehen hierfür auch ihre Flip-Flops aus. Ich verzichte ebenfalls auf meine Schuhe und folge Sovann und Viboll barfuss. Ein schmaler Pfad führt uns vorbei an Palmenhainen über eine kleine Müllhalde direkt vor die ersten Pfahlbauten von Siem Reap. Trostlos wirkt die Siedlung im Morgengrauen. Rauch steigt von kleinen Feuerstellen auf. Sovann und Viboll stellen sich regungslos wie Statuen vor einem Holztor auf. Eine alte Frau tritt hervor, verbeugt sich vor den beiden Mönchen und übergibt ihnen in kleinen Tütchen Reis, gekochtes Gemüse und scharfe Soßen. Nachdem alles sorgfältig in den Schalen verstaut wurde singen die beiden Mönche mit zum Boden gesenkten Häuptern ein kleines Gebet. Bedanken müssen sie sich für die Spende nicht. Im Gegenteil, die alte Kambodschanerin hat durch ihre Gaben für den Orden ihr Karma verbessert. Doch auch im einst verschlafenen Siem Reap hat sich das Leben der Kambodschaner verändert. Im heutigen Alltag bleibt nur noch den Alten die Zeit, frühmorgens frisch gekochte Speisen für die Mönche bereit zu halten. Lieber spendet die Bevölkerung etwas Geld für den Orden. Sovann und Viboll wissen genau, an welchen Häusern das Warten lohnt. Meist kommen Kinder, geben ein paar Riel und nehmen dafür den Segen für die Familie entgegen.

Wie Sovann und Viboll entscheiden sich im heutigen Kambodscha immer mehr junge Männer zu einem enthaltsamen monastischen Leben auf Buddhas Pfaden. Das war nicht immer so. Unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer war der Buddhismus als „reaktionäre Religion, die dem kambodschanischen Volk schadet“ verboten. Die meisten Pagoden wurden zerstört, Mönche fanden zu tausenden unter der Verfolgung durch Pol Pots Schreckensregime den Tod oder entsagten ihrem Gelübde. Auch die Pagode des Ordens von Wat Thmey erinnert an diese dunkle Zeit. Die Mönche haben die Gebeine tausender Opfer eines umliegenden Killingfields als Mahnmal in einem Gebäude des Klosters aufbewahrt.

Fotografisch nähere ich mich bei Reportagearbeiten den Menschen sehr behutsam. Mit den Mönchen des Klosters von Wat Thmey habe ich, ohne ein einziges Bild aufzunehmen, viel Zeit verbracht. Erst durch die Vertrautheit Sovanns und Vibolls entstanden hunderte Bilder aus dem Alltagsleben der beiden Mönche. Die Arbeit mit der unaufdringlichen Leica M6 kommt mir hierbei entgegen. Distanz brauche ich mit langen Brennweiten nicht zu überwinden. Mit den lichtstarken Weitwinkelobjektiven bin ich mitten im Geschehen.

 

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