Mönchsleben
Bereits seit vier
Uhr morgens sind Sovann Phon und Viboll auf den Beinen. Mit der kleinen
Mönchsgemeinschaft des Klosters Wat Thmey treffen sie sich zum gemeinsamen
Morgengebet. Draußen herrscht noch völlige Dunkelheit. Selbst
früh morgens nimmt die Hitze kein Ende. Grillen veranstalten im umliegenden
Dickicht ein lärmend schrilles Wettzirpen. Die Mönche nehmen
von ihren Unterkünften direkten Kurs auf die Gebetshalle. Lediglich
eine große Kerze spendet etwas Licht. Monoton sonore Gesänge
werden wie eine Meditationsübung zelebriert. Langsam gewöhnen
sich meine Augen an die Dunkelheit, werden Fragmente des Sakralbaus immer
deutlicher. An der Stirnseite thront eine überdimensionale Buddha
Shakyamuni Statue. Bunte Malereien berichten von den guten Taten aus dem
Leben des Lotosgeborenen.
Im Morgengrauen beenden
die Mönche ihr Gebet. Doch eine erste Mahlzeit ist noch lange nicht
erlaubt. Die Dreiundzwanzigjährigen Sovann Phon und Viboll holen
rasch ihre blank geputzten Bettelschalen herbei. In einem Tuch mit Trageriemen
werden die Metallschalen unter den safranfarbenen Roben versteckt. Sovann
erklärt, dass der morgendliche Bettelgang in absolut demütiger
Haltung erfolgen muss. Die beiden Mönche dürfen in dieser Zeit
nicht miteinander reden und ziehen hierfür auch ihre Flip-Flops aus.
Ich verzichte ebenfalls auf meine Schuhe und folge Sovann und Viboll barfuss.
Ein schmaler Pfad führt uns vorbei an Palmenhainen über eine
kleine Müllhalde direkt vor die ersten Pfahlbauten von Siem Reap.
Trostlos wirkt die Siedlung im Morgengrauen. Rauch steigt von kleinen
Feuerstellen auf. Sovann und Viboll stellen sich regungslos wie Statuen
vor einem Holztor auf. Eine alte Frau tritt hervor, verbeugt sich vor
den beiden Mönchen und übergibt ihnen in kleinen Tütchen
Reis, gekochtes Gemüse und scharfe Soßen. Nachdem alles sorgfältig
in den Schalen verstaut wurde singen die beiden Mönche mit zum Boden
gesenkten Häuptern ein kleines Gebet. Bedanken müssen sie sich
für die Spende nicht. Im Gegenteil, die alte Kambodschanerin hat
durch ihre Gaben für den Orden ihr Karma verbessert. Doch auch im
einst verschlafenen Siem Reap hat sich das Leben der Kambodschaner verändert.
Im heutigen Alltag bleibt nur noch den Alten die Zeit, frühmorgens
frisch gekochte Speisen für die Mönche bereit zu halten. Lieber
spendet die Bevölkerung etwas Geld für den Orden. Sovann und
Viboll wissen genau, an welchen Häusern das Warten lohnt. Meist kommen
Kinder, geben ein paar Riel und nehmen dafür den Segen für die
Familie entgegen.
Wie Sovann und Viboll
entscheiden sich im heutigen Kambodscha immer mehr junge Männer zu
einem enthaltsamen monastischen Leben auf Buddhas Pfaden. Das war nicht
immer so. Unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer war der Buddhismus
als „reaktionäre Religion, die dem kambodschanischen Volk schadet“
verboten. Die meisten Pagoden wurden zerstört, Mönche fanden
zu tausenden unter der Verfolgung durch Pol Pots Schreckensregime den
Tod oder entsagten ihrem Gelübde. Auch die Pagode des Ordens von
Wat Thmey erinnert an diese dunkle Zeit. Die Mönche haben die Gebeine
tausender Opfer eines umliegenden Killingfields als Mahnmal in einem Gebäude
des Klosters aufbewahrt.
Fotografisch nähere
ich mich bei Reportagearbeiten den Menschen sehr behutsam. Mit den Mönchen
des Klosters von Wat Thmey habe ich, ohne ein einziges Bild aufzunehmen,
viel Zeit verbracht. Erst durch die Vertrautheit Sovanns und Vibolls entstanden
hunderte Bilder aus dem Alltagsleben der beiden Mönche. Die Arbeit
mit der unaufdringlichen Leica M6 kommt mir hierbei entgegen. Distanz
brauche ich mit langen Brennweiten nicht zu überwinden. Mit den lichtstarken
Weitwinkelobjektiven bin ich mitten im Geschehen.
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