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Leica Fotografie International


 
   
  LFI: Ob Mongolei, Tibet oder Indien: Sie unternehmen regelmäßig lange Reisen in ferne Länder. Was reizt Sie daran?
DÜRIGEN: Ich suche nicht unbedingt die Ferne. Mich interessieren spannende Reportagethemen. Sehen Sie sich etwa den Sadhu „Swami Sajalanand“ an. Er hat sich mit Haut und Haaren einem Leben für die Götter verschrieben. Das ist etwas absolut Außergewöhnliches. Doch Für die indische Gesellschaft sind Asketen wie der Swami keine Spinner, sondern sie werden von Hindus als Heilige verehrt. Diese Menschen nehmen für ihre Religion schier unvorstellbare Lasten auf sich.

LFI: Sie pilgern etwa, wie in Ihrer Fotoreportage, barfuß zur Gangesquelle im Himalaya …
DÜRIGEN: … um dort im eisigen Wasser zu baden. Manche legen sich extreme Gelübde auf, indem sie für viele Jahre schweigen, sich nicht mehr hinlegen oder ununterbrochen ihren Arm zum Himmel strecken.

LFI: Wie haben Sie den Kontakt zu dem Swami bekommen?
DÜRIGEN: Ich wollte eine authentische Reportage über die Pilgerreise eines Sadhus realisieren. Diese Fotostrecke sollte Teil des bei terra magica erscheinenden Bildbandes „Der Himmelsfluss Ganges und seine heiligen Männer“ werden. Beim Besuch des Bergdorfes Gangotri kam ich in Kontakt mit Asketen, die zur Gangesquelle wandern wollten. So lernte ich in einem Ashram den Swami kennen. Die Chemie zwischen uns stimmte einfach. Er willigte ein, dass ich ihn ein kleines Stück auf seiner seit 12 Jahren nicht unterbrochenen Pilgerreise begleiten dürfe. Der Swami brachte mir großes Vertrauen entgegen und ließ mich– auch mit der Kamera – uneingeschränkt an seiner religiösen Welt teilhaben.

LFI: Wie waren Sie ausgerüstet, als Sie in den Himalaya aufbrachen, zur 4000 Meter hoch gelegenen Quelle des Ganges?
DÜRIGEN: Der Sadhu Swami Sajalanand und ich waren ein höchst ungleiches Paar. Er war nur in Tücher gehüllt, stieg barfuß über Gebirgspfade oder watete durch das eiskalte Wasser von Gletscherbächen. Ich hingegen trug das typische Hightech-Equipment, Goretex-Jacke, Hochgebirgsstiefel. Außerdem hatte ich meine R8 samt DMR mit. Eine kleine Küchencrew versorgte uns abends mit Essen und heißen Getränken und transportierte das notwendige Mini-Notstromaggregat. Die Reportage verlief unter extremen Bedingungen. Wir stiegen von der Gangesquelle über einen Gletscher zum heiligen Berg Shivling. Auf knapp 5000 Metern fielen nachts die Temperaturen auf –10 Grad Celsius. Über die Hochgebirgswüste blies ein starker Wind, wodurch die Kamera kräftig eingestaubt wurde.

LFI: Was haben Sie dagegen unternommen?
LFI: Wie sind Sie denn mit dem Staubproblem umgegangen?
DÜRIGEN: Grundsätzlich bietet sich ja beim DMR an, die Kamera einfach zu öffnen und den Sensor abzuwischen. Das habe ich genau einmal probiert und zwar mit dem Effekt, dass der eben gereinigte Sensor durch den extremen Staub in der Luft sofort wieder verschmutzt wurde. Als einzige Konsequenz vermied ich auch bei Landschaftsaufnahmen stärker als Blende 8 abzublenden, damit sich der Staub im Bildergebnis kaum bemerkbar macht

LFI: Sind Sie auf Ihren Reisen immer zum Foto bereit?
DÜRIGEN: Ich habe immer eine Kamera bei mir, aber es gibt Momente, in denen ich auf ein Bild verzichte. Die Fotografien des Buchs sollten die große Spiritualität der Sadhus, ihr Leben voller Demut und Hingabe und letztlich ihre Liebe zum heiligen Ganges zeigen. Um in einer solchen Welt nicht als störender Fotograf wahrgenommen zu werden, lege ich großen Wert darauf, lange Gespräche zu führen, bevor ich das erste Mal auf den Auslöser drücke. Die Sadhus schienen meine Kamera später gar nicht wahrzunehmen.

LFI: Das Pilgerfest Ardh Kumbh in Allahabad haben Sie überwiegend mit der M8 fotografiert …
DÜRIGEN: Ja, die Kamera ist einfach genial. Man wird mit ihr nicht als Fotograf wahrgenommen. Sie ist extrem kompakt und die Objektive passen in die Jackentasche. Die meisten Aufnahmen entstanden bei extrem schlechten Lichtverhältnissen am frühen Morgen oder in der Nacht. Aber gerade bei Offenblendaufnahmen liefern die Objektive einfach tolle Bilder. Ich ließ mich im Gedränge dieses religiösen Spektakels einfach treiben. Mal nahm ich bewusst Blickkontakt mit den euphorischen Pilgern auf, mal wollte ich unerkannt das Geschehen festhalten. Viele Gläubige waren in ihren Gebeten so versunken, dass sie ihre Umwelt kaum wahrnahmen.
Für die Ausrüstung und meine Bronchien waren die Umweltbedingungen fast noch extremer als im Himalaya. Zwar waren die Temperaturunterschiede dort nicht so groß, dafür kann man sich kaum vorstellen, wie viel Staub die vielen Millionen Pilger auf der riesigen Strandfläche in Allahabad aufwirbeln können. Aber auch hier war auf das digitale Equipment immer Verlass.

LFI: Ihre Aufnahmen sind unglaublich farbintensiv und zugleich höchst mystisch. Wie fühlt es sich an, allein in einer solchen, vielleicht eher befremdlichen Welt zu sein?
DÜRIGEN: Es ist ein großartiges Gefühl, Zeuge ritueller Kulthandlungen zu sein oder sich mit euphorischen Pilgern, von einer Woge der Glückseligkeit treiben zu lassen. Obwohl ich der indischen Kultur einen großen Respekt entgegenbringe, wäre der Hinduismus für mich persönlich keine religiöse Alternative. Da bin ich doch zu sehr in der europäischen Kultur verwurzelt. Ich muss aber gestehen, dass mich die Aura der Sadhus und die herrlich gute Laune der indischen Pilger in meiner Arbeit immer wieder beflügelt hat.

INTERVIEW. KATRIN ULLMANN

 

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