LFI: Sie pilgern etwa, wie in Ihrer Fotoreportage,
barfuß zur Gangesquelle im Himalaya …
DÜRIGEN: … um dort im eisigen Wasser zu baden. Manche
legen sich extreme Gelübde auf, indem sie für viele Jahre
schweigen, sich nicht mehr hinlegen oder ununterbrochen ihren Arm
zum Himmel strecken.
LFI: Wie haben Sie den Kontakt zu dem Swami bekommen?
DÜRIGEN: Ich wollte eine authentische Reportage über die
Pilgerreise eines Sadhus realisieren. Diese Fotostrecke sollte Teil
des bei terra magica erscheinenden Bildbandes „Der Himmelsfluss
Ganges und seine heiligen Männer“ werden. Beim Besuch
des Bergdorfes Gangotri kam ich in Kontakt mit Asketen, die zur
Gangesquelle wandern wollten. So lernte ich in einem Ashram den
Swami kennen. Die Chemie zwischen uns stimmte einfach. Er willigte
ein, dass ich ihn ein kleines Stück auf seiner seit 12 Jahren
nicht unterbrochenen Pilgerreise begleiten dürfe. Der Swami
brachte mir großes Vertrauen entgegen und ließ mich–
auch mit der Kamera – uneingeschränkt an seiner religiösen
Welt teilhaben.
LFI: Wie waren Sie ausgerüstet, als Sie in
den Himalaya aufbrachen, zur 4000 Meter hoch gelegenen Quelle des
Ganges?
DÜRIGEN: Der Sadhu Swami Sajalanand und ich waren ein höchst
ungleiches Paar. Er war nur in Tücher gehüllt, stieg barfuß
über Gebirgspfade oder watete durch das eiskalte Wasser von
Gletscherbächen. Ich hingegen trug das typische Hightech-Equipment,
Goretex-Jacke, Hochgebirgsstiefel. Außerdem hatte ich meine
R8 samt DMR mit. Eine kleine Küchencrew versorgte uns abends
mit Essen und heißen Getränken und transportierte das
notwendige Mini-Notstromaggregat. Die Reportage verlief unter extremen
Bedingungen. Wir stiegen von der Gangesquelle über einen Gletscher
zum heiligen Berg Shivling. Auf knapp 5000 Metern fielen nachts
die Temperaturen auf –10 Grad Celsius. Über die Hochgebirgswüste
blies ein starker Wind, wodurch die Kamera kräftig eingestaubt
wurde.
LFI: Was haben Sie dagegen unternommen?
LFI: Wie sind Sie denn mit dem Staubproblem umgegangen?
DÜRIGEN: Grundsätzlich bietet sich ja beim DMR an, die
Kamera einfach zu öffnen und den Sensor abzuwischen. Das habe
ich genau einmal probiert und zwar mit dem Effekt, dass der eben
gereinigte Sensor durch den extremen Staub in der Luft sofort wieder
verschmutzt wurde. Als einzige Konsequenz vermied ich auch bei Landschaftsaufnahmen
stärker als Blende 8 abzublenden, damit sich der Staub im Bildergebnis
kaum bemerkbar macht
LFI: Sind Sie auf Ihren Reisen immer zum Foto bereit?
DÜRIGEN: Ich habe immer eine Kamera bei mir, aber es gibt Momente,
in denen ich auf ein Bild verzichte. Die Fotografien des Buchs sollten
die große Spiritualität der Sadhus, ihr Leben voller
Demut und Hingabe und letztlich ihre Liebe zum heiligen Ganges zeigen.
Um in einer solchen Welt nicht als störender Fotograf wahrgenommen
zu werden, lege ich großen Wert darauf, lange Gespräche
zu führen, bevor ich das erste Mal auf den Auslöser drücke.
Die Sadhus schienen meine Kamera später gar nicht wahrzunehmen.
LFI: Das Pilgerfest Ardh Kumbh in Allahabad haben
Sie überwiegend mit der M8 fotografiert …
DÜRIGEN: Ja, die Kamera ist einfach genial. Man wird mit ihr
nicht als Fotograf wahrgenommen. Sie ist extrem kompakt und die
Objektive passen in die Jackentasche. Die meisten Aufnahmen entstanden
bei extrem schlechten Lichtverhältnissen am frühen Morgen
oder in der Nacht. Aber gerade bei Offenblendaufnahmen liefern die
Objektive einfach tolle Bilder. Ich ließ mich im Gedränge
dieses religiösen Spektakels einfach treiben. Mal nahm ich
bewusst Blickkontakt mit den euphorischen Pilgern auf, mal wollte
ich unerkannt das Geschehen festhalten. Viele Gläubige waren
in ihren Gebeten so versunken, dass sie ihre Umwelt kaum wahrnahmen.
Für die Ausrüstung und meine Bronchien waren die Umweltbedingungen
fast noch extremer als im Himalaya. Zwar waren die Temperaturunterschiede
dort nicht so groß, dafür kann man sich kaum vorstellen,
wie viel Staub die vielen Millionen Pilger auf der riesigen Strandfläche
in Allahabad aufwirbeln können. Aber auch hier war auf das
digitale Equipment immer Verlass.
LFI: Ihre Aufnahmen sind unglaublich farbintensiv
und zugleich höchst mystisch. Wie fühlt es sich an, allein
in einer solchen, vielleicht eher befremdlichen Welt zu sein?
DÜRIGEN: Es ist ein großartiges Gefühl, Zeuge ritueller
Kulthandlungen zu sein oder sich mit euphorischen Pilgern, von einer
Woge der Glückseligkeit treiben zu lassen. Obwohl ich der indischen
Kultur einen großen Respekt entgegenbringe, wäre der
Hinduismus für mich persönlich keine religiöse Alternative.
Da bin ich doch zu sehr in der europäischen Kultur verwurzelt.
Ich muss aber gestehen, dass mich die Aura der Sadhus und die herrlich
gute Laune der indischen Pilger in meiner Arbeit immer wieder beflügelt
hat.